Donnerstag, 4. April 2013

Enteignung von Anbauflächen: Vietnam droht Bauernaufstand




On trial for resisting eviction that Vietnam admits was illegal, fishing family defiant



http://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/under-tight-security-vietnamese-court-begins-hearing-trial-of-farmers-who-fought-police/2013/04/01/0804bfc8-9b41-11e2-9219-51eb8387e8f1_story_1.html
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Ein Photo von dem Polizist Nguyễn Đăng Quan mit " 2 der verletzten Polizisten"  auf der Tiên Lãng- Wache , aufgenommen nach dem Überfall auf dem Farm von Vuon.




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Viele Farmer könnten 2013 ihr Land verlieren. Grund ist das sozialistische Bodenrecht: Die Verfassung kennt eigentlich keinen privaten Landbesitz. 
von George Fahrion


Kämpferisch: Trotz Enteignung kehren Bauern im vietnamesischen Van ...  Kämpferisch: Trotz Enteignung kehren Bauern im vietnamesischen Van Giang Distrikt zur Reisernte auf "ihre" Felder zurück






                                                             














Die Tat, die Doan Van Vuon zum Volkshelden machte, wurzelte in Verzweiflung. In harter Arbeit hatte der Agraringenieur an der Küste Nordvietnams eine Fischfarm hochgezogen, die nach Jahren endlich profitabel war. Das Grundstück hatte ihm das örtliche Parteikomitee zugeteilt. Doch nun wollten die Funktionäre das Land zurück. Sie schickten 80 Polizisten und Soldaten, um Vuon zu vertreiben. Er und seine Familie wehrten sich - mit Schrotflinten und einer selbst gebastelten Mine. Die Bilanz: sechs verletzte Sicherheitskräfte, die Fischfarm zerstört, Vuon im Knast, beschuldigt des versuchten Mordes.
Seine Inhaftierung im Januar hätte das Ende der Geschichte sein können, hätte sich nicht ganz Vietnam mit dem Fischzüchter solidarisiert. Die Kontrolle über Land hat sich zum größten Streitpunkt Vietnams entwickelt. 70 bis 90 Prozent der Beschwerden, die gegen die Behörden eingereicht werden, betreffen Landfragen; 2008 bis 2011 waren es mehr als 670.000 Streitfälle. Der Konflikt um Landrechte hat das Potenzial, das Regime der Kommunistischen Partei (KPV) zu erschüttern. Die Unruhe auf dem Land gefährdet den Aufstieg Vietnams, eines der wichtigsten Exporteure von Agrarprodukten wie Reis, Pfeffer, Kaffee und Cashewnüssen.
Laut dem Washingtoner Center for Strategic and International Studies nehmen die Vorfälle seit Anfang 2012 zu. Im nächsten Jahr könnten sie ihren Höhepunkt erreichen. Hintergrund ist das 1993 reformierte Bodenrecht: Verfassungsgemäß kennt die Sozialistische Republik Vietnam keinen privaten Landbesitz. Stattdessen erhalten Bauern für 20 Jahre Landnutzungsrechte. Viele dieser Zertifikate laufen 2013 aus. "Das dürfte so gut wie alles Farmland betreffen", sagt Carl Thayer, emeritierter Professor für Südostasienwissenschaften an der Universität von New South Wales.
Laut dem Washingtoner Center for Strategic and International Studies nehmen die Vorfälle seit Anfang 2012 zu. Im nächsten Jahr könnten sie ihren Höhepunkt erreichen. Hintergrund ist das 1993 reformierte Bodenrecht: Verfassungsgemäß kennt die Sozialistische Republik Vietnam keinen privaten Landbesitz. Stattdessen erhalten Bauern für 20 Jahre Landnutzungsrechte. Viele dieser Zertifikate laufen 2013 aus. "Das dürfte so gut wie alles Farmland betreffen", sagt Carl Thayer, emeritierter Professor für Südostasienwissenschaften an der Universität von New South Wales.
Das Problem betrifft die Mehrheit der Bevölkerung: 70 Prozent der Vietnamesen leben in ländlichen Regionen. Sie beunruhigt, dass der Staat Land zurückfordern kann, ohne die Bauern für Verbesserungen zu entschädigen, die sie auf ihrem Boden erzielt haben - wie die Dämme, Kanäle und Teiche, die der Fischzüchter Vuon angelegt hatte. Der Staat zahlt nur eine Kompensation für die Nutzfläche und den Wert der darauf angebauten Pflanzen, wobei es ein Parteigremium ist, das diesen Wert bestimmt.

Das Verfahren schafft Anreize für korrupte Funktionäre, die Nutzungsrechte für gutes Land nicht zu verlängern, sondern den Boden meistbietend neu zu vergeben. Das bringt die Bürger gegen die KPV auf: "Die Gefahr der sozialen Unruhe ist groß", befindet Tieu Dung Tien von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Hanoi.
Das Regime ist sich dessen bewusst, steckt aber in einem Dilemma: Um Vietnams Entwicklung nicht abzuwürgen, muss es Anbauflächen enteignen und umwidmen können - für Straßen, Industrieprojekte und die wachsenden Städte. Auch hat die KPV ein ideologisches Problem, denn das Verbot privaten Landbesitzes ist eins der wenigen Prinzipien, die sie in die kapitalistische Reformära hinübergerettet hat. Dennoch hat das KPV-Zentralkomitee Mitte Oktober bekräftigt, das Bodenrecht solle novelliert werden. Bloß ist unklar, wie. Manche plädieren dafür, die zeitliche Begrenzung der Nutzungsrechte aufzuheben, doch das würde einer Privatisierung gleichkommen.
Diesem Problembewusstsein zum Trotz hat der Fall Vuon kein glückliches Ende gefunden: Zwar gab der Staat das Grundstück auf Druck der Öffentlichkeit an die Familie zurück. Doch der Fischzüchter selbst wartet in Haft weiter auf seinen Prozess.
 26.10.2012 Financial Times